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Stephan
| Veröffentlicht am Samstag, 25. Mai 2002 - 11:30 Uhr: |
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von Hoimar v. Ditfurth
Um die spezifische Tarnung zu umgehen, mit der Gewohnheit den Fall [der Überbevölkerung] vor unserer Wahrnehmung versteckt hat, müssen wir uns ihm auf einem Umweg nähern. Ich beginne seine Beschreibung deshalb mit der Schilderung des Schicksals eines Urlaubers, der es in einem fernen Lande an der gebotenen hygienischen Vorsicht hat fehlen lassen mit der Folge, dass er sich mit Choleraerregern infiziert. Wenn der Mann Pech hat, bringen die Mikroorganismen ihn innerhalb von 48 Stunden um, schneller, als es den einheimischen Ärzten gelingt, auch nur die zutreffende Diagnose zu stellen. Dergleichen kommt auch heute gelegentlich vor - wenn glücklicherweise auch nur selten -, und wir betrachten das dann mit Recht als menschliche Tragödie und gedenken des Toten und seiner Angehörigen voller Mitgefühl. So verzeihlich und sogar legitim unsere Reaktion aber auch immer sein mag, sie ist, objektiv betrachtet, durchaus einseitig, nämlich gefärbt von unserer Parteilichkeit als Mitmenschen. Sie verführt uns in einem derartigen Fall zu der Ansicht, hier habe "die Krankheit gesiegt". Das ist in Wirklichkeit grundfalsch. Niemand hat hier gesiegt. Alle Beteiligten haben verloren. Denn mit dem Patienten sind zwangsläufig auch die Choleraerreger zugrunde gegangen, die ihn besiedelt hatten. So selbstverständlich es auch ist, dass wir deren Dahinscheiden nicht ebenfalls bedauern, so sollten wir uns dennoch einmal klarmachen, dass der Katastrophe in unserem Beispiel nicht nur der Mensch zum Opfer fällt. [...] Wenn wir mit Cholereaerregern reden könnten, dann würden wir daher [weil ihre Überbevölkerung des Menschen ihn und sie selbst umbringt] sicher den Versuch machen, sie darüber aufzuklären, dass sie nicht nur uns gefährden, sondern dass es auch in ihrem eigenen Interesse läge, ihre Vermehrung, das Wachstum ihrer Population, beizeiten einzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach aber würden sie unseren Rat in den Wind schlagen und dies sogar mit höchst einleuchtenden Argumenten. Denn wenn es an der Zeit wäre, den Ratschlag zum Vermehrungsstopp zu beherzigen, dann hätten sie in dem von ihnen besetzten Lebensraum schon etwa hundert Generationen hinter sich gebracht: alle 20 Minuten eine - so schnell läuft bei Bakterien die Vermehrung durch Zellteilung. In jeder einzelnden Stunde drei Generationen. Das macht rund hundert Generationen in 33 Stunden, und das ist genau die Zeitspanne, innerhalb deren es für einen Cholerapetienten, der einen virulenten Stamm erwischt hat, gefährlich zu werden beginnt. Hundert Generationen, das ist, in subjektive Lebenszeit übersetzt, ein ausserordentlich grosser Zeitraum. Wenn wir in unserer eigenen Geschichte hundert Generationen zurückdenken, geraten wir schon in die Lebenszeit von Moses. Vermutlich würden die Choleraerreger unsere Empfehlung daher mit dem Argument zurückweisen, dass man nun schon seit 99 Generationen, also "seit unausdenkbar langer Zeit", konsequent auf Vermehrung gesetzt habe und dass man prächtig dabei gefahren sei. Unser Rat, einmal die Möglichkeit zu bedenken, dass eine Beibehaltung des bislang erfolgreichen Vermehrungsrezepts von einem bestimmten Punkt an lebensbedrohliche Konsequenzen heraufbeschwören könnte, würde von ihnen vor diesem konkreten Erfahrungshintergrund höchstwahrscheinlich als intellektuell unzumutbar verworfen werden. Die Katastrophe nähme folglich auch dann ihren Lauf. [...] Man kann es ihnen nicht zum Vorwurf machen, denn sie haben ja nicht einmal ein Gehirn. |
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