   
Achim_wolf Mitglied
Nummer des Beitrags: 134 Registriert: 04-2002
| Veröffentlicht am Freitag, 18. März 2005 - 15:24 Uhr: |
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Ein Tipp zu einem lesenswerten Büchlein, das 1973 erschienen ist: Konrad Lorenz untersucht Vorgänge der Dehumanisierung, die nicht nur unsere heutige Zivilisation und Kultur, sondern die Menschheit als Ganzes mit dem Untergang bedrohen: die Übervölkerung der Erde, die Verwüstung des natürlichen Lebensraums, den Wettlauf des Menschen mit sich selbst im Drange der technologischen Entwicklung, den Schwund starker Gefühle durch Verweichlichung, den genetischen Verfall, das Abreißen der Tradition, die zunehmende Indoktrinierbarkeit, die Aufrüstung durch Kernwaffen u. a. Lorenz warnt eindringlich vor Mißverständnissen und Fehlverhalten aus einer »pseudodemokratischen Doktrin«, wonach unser soziales und moralisches Verhalten ausschließlich durch die Umwelt »konditioniert« werde. Er legt dar, wie und in welchem Ausmaß das Verhalten des Menschen durch die stammesgeschichtliche Entwicklung beeinflußt und bestimmt wird. Konrad Lorenz, geboren 1903 in Wien, Professor Dr. med. Dr. phil., Studium der Medizin und Zoologie, 1940 o. Professor für vergleichende Psychologie in Königsberg, 1949 Gründer des Instituts für vergleichende Verhaltensforschung in Altenberg (österreichische Akademie der Wissenschaften), seit 1957 Honorarprofessor an der Universität München, seit 1961 Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen b. Starnberg. Zahlreiche Veröffentlichungen, davon im Piper-Verlag: Über tierisches und menschliches Verhalten, Bd. I, 15. Aufl. 1971, Bd. II, 9. Aufl. 1971; (mit Paul Leyhausen) Antriebe tierischen und menschlichen Verhaltens, 3. Aufl. 1971. Hier ein Ausschnitt: "Das Zusammengepferchtsein vieler Menschen auf engstem Raum führt nicht nur mittelbar durch Erschöpfung und Versandung zwischenmenschlicher Beziehungen zu Erscheinungen der Entmenschlichung, es löst auch ganz unmittelbar aggressives Verhalten aus. Man weiß aus sehr vielen Tierversuchen, daß innerartliche Aggression durch Zusammenpferchung gesteigert werden kann. Wer es nicht in Kriegsgefangenschaft oder in einer ähnlichen gewaltsamen Aggregation vieler Menschen selbst erlebt hat, kann gar nicht ermessen, welche Grade die kleinliche Reizbarkeit erreichen kann, die einen unter solchen Umständen befällt. Gerade wenn man sich im Zaume zu halten trachtet und sich befleißigt, im täglichen und stündlichen Kontakt mit nicht befreundeten Artgenossen ein höfliches, das heißt freundschaftliches Verhalten zu zeigen, steigert sich der Zustand bis zur Qual. Die allgemeine Unfreundlichkeit, die man in allen Großstädten beobachten kann, ist deutlich proportional zu der Dichte der an bestimmten Orten angehäuften Menschenmengen. In großen Bahnhöfen oder im Bus-Terminal in New York zum Beispiel erreicht sie Grade, die erschreckend sind. Mittelbar trägt die Übervölkerung zu sämtlichen Übelständen und Verfallserscheinungen bei, die in den folgenden sieben Kapiteln besprochen werden sollen. Den Glauben, daß man durch entsprechende »Konditionierung« eine neue Sorte von Menschen erzeugen könne, die gegen die üblen Folgen engster Zusammenpferchung gefeit sind, halte ich für einen gefährlichen Wahn." Achim Wolf
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